von Thomas Rünker

Laschet: Ruhrgebiet schlägt „ein neues Kapitel des Strukturwandels“ auf

Beim gemeinsamen Jahresempfang von Bischof Franz-Josef Overbeck und der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim stand die Zukunft der Region im Mittelpunkt. Moderiert von „Wolfsburg“-Direktor Michael Schlagheck diskutierte der Bischof mit Ministerpräsident Armin Laschet und der Dortmunder Uni-Rektorin Ursula Gather.

Auch nach dem Ende des Steinkohlenbergbaus muss der Strukturwandel im Ruhrgebiet weitergehen. Das haben am Montagabend Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck, Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Ursula Gather, Rektorin der Uni Dortmund und Kuratoriumsvorsitzende der Krupp-Stiftung, in Mülheim betont. Nach der Schließung der letzten Zeche im vergangenen Dezember schlage das Ruhrgebiet „ein neues Kapitel des Strukturwandels auf“, sagte der Ministerpräsident vor rund 550 Gästen des gemeinsamen Jahresempfangs von Bischof Overbeck und der Bistums-Akademie „Die Wolfsburg“.

Die von der Landesregierung im vergangenen Sommer gestartete Ruhrkonferenz sei erstmals in der Geschichte der Region „keine Krisenkonferenz“ betonte Laschet. Er verwies auf die Arbeitslosigkeit in der Region, die seit mehreren Monaten im Durschnitt „stabil unter zehn Prozent“ liege. Nun gehe es mit der Ruhrkonferenz darum, neue Impulse für die Region zu entwickeln: „Wenn es uns gelingt, mit Strukturmaßnahmen dem Ruhrgebiet zu helfen – auch mit mehr Geld als anderswo – werden davon auch andere Regionen profitieren“, so der Ministerpräsident. Aus seiner Sicht ist dafür jedoch auch eine stärkere Zusammenarbeit der Ruhrgebiets-Städte erforderlich. Bei der vom Land geschaffenen Möglichkeit, Verwaltungsaufgaben von den Städten auf den Regionalverband Ruhr (RVR) zu übertragen, „gibt es noch reichlich Luft nach oben“, sagte Laschet. Er verwies auf seine Heimatregion Aachen, wo die Kommunen nach langem Ringen nun vorbildlich zusammen arbeiteten.

"Die Herausforderungen werden nicht weniger"

Verglichen mit anderen Regionen sei der Strukturwandel im Ruhrgebiet in der Vergangenheit durchaus positiv verlaufen, stellte Ruhrbischof Overbeck fest. „Aber die Herausforderungen werden nicht weniger.“ Beispielhaft nannte er die Themen Digitalisierung, Verkehr oder Globalisierung. Als Mitglied im Beirat der Ruhrkonferenz sieht sich Overbeck dort als Stellvertreter der christlichen Kirchen in der Region: „Als Kirchen können wir für die Themen einstehen, die für Politik und Wirtschaft schwer zu formulieren sind.“ Schließlich seien die Kirchen „Generalisten in Fragen des Menschseins“. Besondere inhaltliche Schwerpunkte sieht der Bischof bei den Themen Bildung, Gesundheit, Wohnen und Ökologie. In den 20 Themenforen der Ruhrkonferenz müsse „bis zum Sommer klar sein, was das gemeinsame Ziel ist – und das muss dann so einfach formuliert sein, dass es jeder versteht“, betonte Overbeck. Insgesamt verdiene die Region mehr Selbstbewusstsein, sagte der Bischof und wandelte das „Wir schaffen das!“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem „Wir können das!“ fürs Ruhrgebiet.

Uni-Rektorin Gather hob hervor, dass das Ruhrgebiet „einen erstaunlichen Strukturwandel geschafft“ habe und heute mit starken Industriestandorten, einer ausgeprägten mittelständischen Struktur und einem dichten Hochschul-Netzwerk über eine komplette Wertschöpfungskette verfüge. „Es wird dieser Mix sein, der unsere Zukunft bestimmt.“ Eine Zukunft, in der das Ruhrgebiet auch weiterhin von Industrie geprägt bleiben werde, so Gather. „Ich kann mir das Ruhrgebiet überhaupt nicht vorstellen ohne Industrie.“

„Ohne Treue kein effektiver Wandel“

Auf das Spannungsfeld zwischen Beharren und Veränderungen ging Bischof Overbeck in seinem Grußwort an die Gäste des Jahresempfangs ein: Einerseits sei Bewegung angesagt, andererseits zeige sich „eine Treue zum Bestehenden als ein wichtiges Lebensprinzip, das solange trägt, wie es weiterhin Leben ermöglicht und nicht in eine Sackgasse führt“, sagte Overbeck. Ohne eine solche Treue gebe es keinen effektiven Wandel, „denn Änderungen nur um der Änderung willen oder jenseits von Perspektiven, die auf ein Ziel hin führen, driften tendenziell ins Chaos.“

Wie wichtig Diskussionen und politische Auseinandersetzungen sind, um Veränderungen voranzutreiben, hob „Wolfsburg“-Direktor Michael Schlagheck hervor. „Demokratien leben von Vielgestaltigkeit, dem Ringen um Entscheidungen, um Lösungen, die wahrscheinlich besser sind als andere aber eben nicht immer die persönlichen favorisierten Lösungen sind und die keinen Ewigkeitswert besitzen müssen.“ Dies gelte nicht nur bei politischen Themen: „Auch in den kontroversen kirchlichen Debatten ist der abgewogene Umgang mit einem Beharren auf Wahrheiten anzuraten, denn in vielen, auch systemischen Fragen, geht es darum eigentlich nicht.“ Unbequeme Debatten dürften nicht mit vermeintlich unverrückbaren Lehrpositionen abgewürgt werden.

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